Das Dortmunder Opernhaus im Bann des Fußballs III: Zoltán Ravasz

Seit Freitag, 10. Juni, rollt der Ball wieder. Der Fußball beherrscht den europäischen Kontinent und hat auch das Dortmunder Opernhaus in seinen Bann gezogen. Sofort treten alle Sichtweisen und Einstellungen hinsichtlich der wohl weltweit beliebtesten Sport zu Tage, vom freundlichem Desinteresse, zur feurig-unschuldiger Erwartung auf jedes Spiel, bis hin zur Annahme, dass es sich bei dieser Sportart  – frei nach dem preußischen Kriegtheoretiker Clausewitz – um nichts weniger als um die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln handelt.
Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theater Dortmund aus fünf Ländern werden ihre ganz persönliche Ansicht und ihre ureigensten Hoffnung im Hinblick auf die laufende UEFA EURO 2016 darstellen. Gemeinsam mit den Redakteuren Beate Dönnewald und Nils Heimann wurden die Beiträge für die EM-Sonderbeilage der Ruhr Nachrichten erstellt. Der Opernhausblog dankt den beiden Dortmunder Journalisten und den Ruhr Nachrichten für die Erlaubnis, die Beiträge auch im OPERNHAUSBLOG publizieren zu dürfen.

Die „Ehrenkatastrophe“ von Bern

Obwohl Zoltán Ravasz in seinem ganzen Leben noch nie vor den Ball getreten hat, verfügt der Ballettmeister vom Dortmunder Theater über eine hohe Affinität zum Sport mit dem runden Leder. Und das aus gleich zwei Gründen: Denn zum einen stammt der 62-Jährige aus Ungarn. Und wem würde in diesem Zusammenhang nicht sofort eins der denkwürdigsten Spiele der Fußball-Geschichte einfallen: Das WM-Finale zwischen Deutschland und Ungarn von 1954 im  Berner ???Stadion. „Was für die Deutschen das ‚Wunder von Bern‘ ist, heißt bei uns Ungarn nur die ‚Ehrenkatastrophe‘“, gibt Ravasz einen Einblick in die Fußball-Seele der Ungarn. Er selbst wurde genau in diesem Jahr geboren, hat also selber vom Spiel natürlich nichts mitbekommen, kennt die Tragödie jedoch unzähligen Erzählungen. „Zu der Zeit besaß in unserem Heimatort niemand ein Radio, geschweige denn einen Fernseher“, weiß er zu berichten. Vielmehr habe es nur einen großen Lautsprecher in der Straße gegeben, in der seine Eltern wohnten. Vor dem hätten alle Nachbarn angespannt gestanden und das Spiel und somit die Niederlage verfolgt. „Immer wenn mein Vater später von dem Drama erzählt hat, tat er mir Leid, weil ihn die Niederlage offenbar so sehr geschmerzt hat.“
Und zum anderen sieht Zoltán Ravasz zahlreiche Parallelen zwischen seiner Arbeit als Ballettmeister und dem Trainer-Job im Fußball. „So wie beim Fußball auf hohem Niveau ist auch beim Ballett von den Tänzern vor allem Leistung gefragt“, betont er. Und um die möglichst effektiv herauszukitzeln müsse er natürlich, die Stärken eines jeden Einzelnen Künstlers erkennen und fördern. „Ähnlich wie ein Trainer muss ich auch für jeden Tänzer die beste Position finden.“ Außerdem seien beim Ballett genau wie beim Fußball drei Dinge elementar wichtig: Talent, Fleiß und Ehrgeiz.
Er selbst verfügte über diese Eigenschaften schon früh, daher ist er auch nie zum Fußball gekommen: „Ich habe mit zehn Jahren angefangen zu tanzen und da waren gefährliche Sportarten wie Fußball oder Skifahren strikt verboten. Daran habe ich mich gehalten.“ Doch bereuen würde er die Entscheidung fürs Tanzen und gegen den Fußball nicht, betont er, vielmehr genießt er seine Rolle als Zuschauer. „Ich habe schon einige Spiele vom BVB live im Stadion gesehen; dort herrscht eine überwältigende Stimmung.“ Wenn er Pensionär sei, wolle er diese hochemotionalen Besuche intensivieren. Bei der Europameisterschaft wird es für den 62-Jährigen hingegen deutlich ruhiger zugehen. „Ich freue mich darauf mich mit einem schönen Glas Rotwein vor den Fernseher zu setzen und die Spiele ganz in Ruhe zu verfolgen.“ Und das könnten einige werden, denn – ganz passend – hat Zoltán Ravasz während der ganzen Europameisterschaft Urlaub.

Nils Heimann

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