7 Dinge über „Don Giovanni“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …

7 Dinge über „Don Giovanni“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …

Ab dem 18.01.2025 steht Mozarts Meisterwerk Don Giovanni in einer Neuinszenierung von Regisseurin Ilaria Lanzino und unter der Musikalischen Leitung von Gastdirigent George Petrou, einem der führenden Spezialisten der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis, auf dem Spielplan der Oper Dortmund. Hier finden Sie 7 Hintergründe zu Werk, Entstehung und Aufführungsgeschichte, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …

1. Geniale Prokrastination

Josef Büche: Mozart beim Komponieren.

Pasquale Bondini, der Direktor des Gräflich Nostitzschen Nationaltheaters in Prag, beauftragte Mozart mit der Komposition von Don Giovanni für den 14. Oktober 1787. An diesem Tag war der Besuch der österreichischen Erzherzogin Maria Theresia Josefa und ihres Gemahls, des späteren Kaisers Anton I. von Sachsen, in Prag geplant. Der Komponist konnte das Werk jedoch nicht rechtzeitig fertigstellen, obwohl die Proben bereits in vollem Gange waren, da ständig Details überarbeitet werden mussten. Daher wurde stattdessen eine andere Oper Mozarts, Le nozze di Figaro, für die Erzherzogin aufgeführt, derweil die Premiere von Don Giovanni erst einige Tage später, am 29. Oktober, stattfand. Der Legende nach wurde die Ouvertüre bei ihrer ersten Aufführung direkt vom Blatt gespielt – denn Mozart soll sie erst in der Nacht vor der Uraufführung des Don Giovanni komponiert haben. Wenn es sich hierbei um eine gezielte Prokrastination des Komponisten gehandelt haben sollte, dann war dies zweifellos eine absolut geniale!

2. Das Jahr des Don Giovanni

Don Giovanni verführt Zerlina.

Wussten Sie schon, dass 1787 neben Mozarts Don Giovanni zwei weitere Opern über den bekannten Verführer von Sevilla auf die Opernbühne kamen? Am 5. Februar 1787 wurden nämlich in Venedig – zeitgleich(!) – Don Giovanni Tenorio von Giuseppe Gazzaniga, nach einem Libretto von Giovanni Bertati, und Don Giovanni oder der neue steinerne Gast von Francesco Gardi, nach einem Text von Giuseppe Foppa, uraufgeführt. Beide Werke gerieten bald in Vergessenheit, aber Lorenzo Da Ponte, Mozarts kongenialer Textdichter, kannte mit Sicherheit die Oper des Duos Gazzaniga-Bertati; denn etwa die Hälfte der Handlung seiner Adaption dieses ewigen Stoffes übernahm er für seine eigene Dichtung. Unter der Feder des flinken Abbés wurden die Erlebnisse des lüsternen Frauenhelden noch eleganter und witziger dargestellt als in dem genannten Werk der „Konkurrenten“, aber es bleibt eine Tatsache: Von Grund auf neu erfand Da Ponte den Don Giovanni-Mythos für die Opernbühne nicht.

3. Wie man ein Libretto ordentlich schreibt

Lorenzo Da Ponte, Kupferstich von Michele Pekenino.

Abbé Lorenzo Da Ponte, der Verfasser des Librettos zu Don Giovanni – sowie zu zwei weiteren Opern Mozarts: Le nozze di Figaro und Così fan tutte – war nicht nur ein talentierter Dichter, sondern auch ein echter Abenteurer. Er liebte unzählige Frauen, duellierte sich mit Rivalen und führte ein rastloses Leben, das ihn letztlich sogar bis nach Amerika führte, wo er 1833 in New York City mit dem „Italian Opera House“ das erste Opernhaus der Stadt gründete, auf das die heute weltberühmte Metropolitan Opera zurückgeht! Als Da Ponte in den Ruhestand ging, schrieb er seine bis heute berüchtigten Memoiren. Darin schlägt er ein Rezept vor, wie man mehrere Theaterstücke gleichzeitig schreiben und dabei hervorragende Ergebnisse erzielen kann.

„Sie benötigen:
einen Schreibtisch und einen bequemen Stuhl,
Feder und Tinte zu Ihrer Linken,
eine Flasche Tokajer Wein zu Ihrer Rechten,
eine Tabakdose mit feinstem Sevilla-Tabak vor Ihnen,
und eine hübsche Wirtstochter, die Ihnen ab und zu Kaffee bringt und Sie mit ihrer Schönheit inspiriert.“

Signor Da Ponte versichert hierbei, dass ihm genau diese Kombination dabei geholfen habe, in einer Nacht zwei Szenen des Don Giovanni sowie die ersten beiden Akte der Oper L’arbore di Diana (für den Komponisten Martin-y-Soler) fertigzustellen und das französische Libretto von Beaumarchaisʼ Tarare ins Italienische zu übersetzen.

4. Oper nach Maß

Die Sopranistin Aloysia Weber verkörperte bei der Wiener Uraufführung von Mozarts Don Giovanni die Partie der Donna Anna.

Für viele der heutigen Opernbesucher ist die Partitur ein „heiliger Text“, der unverändert bleiben muss. Im 18. und 19. Jahrhundert sah die Sache jedoch anders aus: Theater nahmen sich die Freiheit, Opern je nach Bedarf und Umständen neu zu arrangieren. Und Mozart selbst hatte sich im 2. Finale seines Don Giovanni, wenn eine Blaskapelle zum Tafelgelage des Protagonisten eine Serenadenmusik spielt, musikalisch zunächst bei zwei Opern anderer Komponisten bedient, ehe er die Bühnenmusik schließlich das „Non più andrai“ aus seinem eigenen Figaro zitieren lässt, was von Leporello just mit der Bemerkung goutiert wird, dieser Klang käme ihm irgendwoher bekannt vor.

Für die Wiener Uraufführung des Don Giovanni schrieb Mozart jedenfalls eine Reihe von zusätzlichen Musikstücken: eine neue Arie für Don Ottavio, eine große Szene für Donna Elvira und ein Duett für Leporello und Zerlina (Anmerkung: In der aktuellen Neuproduktion der Oper Dortmund wird die Prager Fassung gespielt, allerdings mit beiden von Mozart geschriebenen Tenorarien). Und lange bevor E.T.A. Hoffmann Don Giovanni zur „Oper aller Opern“ erklärte, wurde die Partitur immer wieder drastisch verändert. So beschreibt Hermann Abert, Autor einer bekannten Mozart-Biografie, einige dieser „Mixfassungen“, wie folgt: „Bei der Pariser Aufführung sah man nach Don Giovannis Sturz den Sarg Donna Annas inmitten von Leidtragenden, wozu das „Dies irae“ aus Mozarts Requiem gesungen wurde. Daraufhin schlug ein Regisseur vor, die Szene in die Grabkapelle des Komturs zu verwandeln und zu dessen Leichenfeier den Chor aus Mozarts Requiem singen zu lassen. Nach einem anderen Vorschlag endlich stürzt Don Giovanni nach dem Versinken des Geistes mit Leporello auf den Kirchhof, um zu sehen, ob die Statue noch auf ihrem Sockel stehe. Er findet sie auch in fantastischer Beleuchtung. Aus der Kirche tönt frommer Gesang. Don Giovanni, von innerer Glut zerwühlt, stirbt schließlich ungebeugt mit einem Preis seines Paradieses, der Liebe, während Leporello betend in die Knie sinkt, der Tag anbricht und der fromme Gesang abermals ertönt.“

5. Una cosa rara

Simon Keenlyside singt die Serenade des Don Giovanni.

In der Partitur von Don Giovanni findet sich neben den üblichen Instrumenten eines klassischen sinfonischen Orchesters auch eine zusätzliche, ungewöhnliche Stimmfarbe: Wenn der Protagonist seine berühmte Serenade anstimmt, wird er von einer Mandoline begleitet, einem Zupfinstrument, das zu Mozarts Zeit nicht nur in Italien, sondern auch in Österreich sehr beliebt war. Doch auch wenn es im heutigen Theaterbetrieb keinen fest angestellten Mandolinenspieler gibt, so ist das für eine Aufführung von Don Giovannis Serenade gar kein Problem – denn auch die Violinen im Orchester können diesen Part pizzicato (also gezupft) übernehmen.

6. Mozarts Bild im Wandel der Zeit

Mozart, ein „Punk“ seiner Zeit?

Dass Don Giovanni eine geniale Oper ist, bezweifelt heute wohl niemand. Doch war dies keineswegs immer so. Anno 1789 empörte sich ein Hamburger Musikkenner über die Unglaubwürdigkeit der Handlung dieser Oper: „Eine steinerne Statue singt, lässt sich zu Gaste laden, nimmt diese Einladung an, steigt von ihrem Pferde herunter und trifft zu rechter Zeit und Stunde glücklich ein. Allerliebst! Schade, dass sie nicht auch isst, dann wäre der Spaß erst vollkommen. Ein ehrlicher Mann von Zuschauer wollte zwar diese singende Statue sehr ungereimt finden, aber wahrscheinlicherweise aus Mangel an Operntheorie. Wer mit dieser Theorie näher bekannt ist, wird es schwerlich so finden. Mir wenigsten würdʼ es nicht einmal ungereimt geschienen haben, wenn auch das steinerne Pferd des steinernen Gastes gesungen, oder sich wohl gar in einer Bravurarie produziert hätte“.

Und hier eine anonyme und sehr entrüstete Reaktion auf eine begeisterte Rezension des Don Giovanni von Bernhard Anselm Weber im „Musikalischen Wochenblatt“ von 1792: „Sein Urteil über Mozarts Don Juan ist höchst übertrieben und einseitig. Niemand wird Mozart, den Mann von großen Talenten und den erfahrenen, reichhaltigen und angenehmen Komponisten verkennen. Noch hab’ ich ihn aber von keinem gründlichen Kenner der Kunst für einen korrekten, viel weniger vollendeten Künstler halten sehn, noch weniger wird ihn der geschmackvolle Kritiker für einen in Beziehung auf Poesie richtigen und feinen Komponisten halten.“

7. Don Giovanni auf der Leinwand

„To the Opera!“ aus „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“

Mozarts Oper wurde mehrfach verfilmt. Am bekanntesten ist vielleicht die Version von Joseph Losey aus dem Jahr 1979, in der die Handlung vor der geheimnisvollen und malerischen Naturkulisse Venedigs gezeigt wird. Aber Don Giovanni hat es auch zum Hollywood-Blockbuster geschafft! In Guy Ritchies Sherlock Holmes: Spiel im Schatten jagt der große Detektiv seinen Widersacher Professor Moriarty durch das Opernhaus. Gleichzeitig spielt sich auf der Bühne die legendäre Schlussszene zwischen dem steinernen Gast und Don Giovanni ab. Das Ergebnis ist so faszinierend, dass viele Musikliebhaber immer noch auf eine vollständige Inszenierung der „Oper aller Opern“ von Mr. Ritchie hoffen! – Doch die Wirkung einer Live-Aufführung von Mozarts Meisterwerk, etwa ab dem 18. Januar 2025 im Dortmunder Opernhaus, kann wohl kein filmisches Erlebnis jemals ersetzen.

This article was written by

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert