„Wotan ist meine Lebenspartie” – im Gespräch mit Bass-Bariton Tomasz Konieczny

„Wotan ist meine Lebenspartie” – im Gespräch mit Bass-Bariton Tomasz Konieczny

Mit seiner kraftvollen Stimme und charismatischen Bühnenpräsenz begeistert Tomasz Konieczny Opernliebhaber weltweit. Ab dem 23. März 2025 verkörpert er an der Oper Dortmund Göttervater Wotan in der Wiederaufnahme von Peter Konwitschnys Die Walküre – eine Rolle, die er schon an vielen, renommierten Häusern interpretiert hat. Bevor er sich ganz der Oper widmete, begann Konieczny seine Laufbahn als Schauspieler und Regisseur. Später entdeckte er seine Leidenschaft für den Gesang und studierte in Warschau und Dresden. Heute zählt er zu den führenden Interpreten seines Fachs und gastiert regelmäßig an der Metropolitan Opera, der Wiener Staatsoper und der Bayerischen Staatsoper. Im Gespräch erzählt er über seine künstlerische Laufbahn, prägende Momente und die Herausforderungen seiner aktuellen Partie.

Lieber Herr Konieczny, danke dass Sie Zeit für dieses Interview eingeräumt haben! Sie haben zuerst Schauspiel studiert und sind dann zur Oper gewechselt. Was hat diesen Wechsel ausgelöst?

Ursprünglich wollte ich Regisseur werden und suchte nach einem Weg, diesen Beruf zu ergreifen. Da ich jedoch zu jung war, um Regie zu studieren, begann ich stattdessen ein Schauspielstudium. Der Gesang kam für mich eher überraschend. Aber meine Stimme hat eine gewisse Kraft ausgeübt, sie hat mich auf diesen Weg gezogen. Jetzt bin ich ein erfahrener Sänger und Interpret und ich bin sehr glücklich darüber, dass meine Stimme diesen Beruf für mich gewählt hat.

Wann kam Ihr Durchbruch als Opernsänger?

Das war, glaube ich, 2008 bei meinem Auftritt an der Wiener Staatsoper. Da wurde ich vom damaligen Intendanten und Operndirektor Ioan Holender für den gesamten Ring engagiert. Es waren gleich drei Gastspiele, drei Premieren. Bei der Feier nach der ersten Premiere sagte Holender dann in Bezug auf meine Darstellung: „A star is born.“ Das war der Moment, in dem meine internationale Karriere begann.

Haben Sie eine besondere Erinnerung an diese Zeit?

Ich war sehr stolz, als ich in Wien auftreten durfte. Damals war ich auch schon anderswo engagiert, ich glaube, in Düsseldorf, vielleicht auch noch in Mannheim. Aber der Moment in Wien war für mich etwas ganz Besonderes. Ich erinnere mich an eine Generalprobe an der Wiener Staatsoper. Dass dieses Haus selbst bei einer Generalprobe gut besucht ist, wusste ich bereits – aber ich war völlig überrascht, als ich im zweiten Akt auf der Bühne lag, den Kopf hob und sah, dass der gesamte Zuschauerraum voll war. Und das um 10:00 Uhr morgens! Mit jedem Auftritt in Wien war ich unglaublich glücklich. Und ich sage bis heute: Wien ist meine künstlerische Heimat.

Wissen Sie, wie viele Rollen Sie insgesamt gesungen haben?

Ich trage sie zwar auf meiner Homepage zusammen, aber eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Was ich jedoch sicher sagen kann: Die Walküre, die ich jetzt hier in Dortmund singe, ist meine 21. Produktion dieses Werks. Wotan ist meine Lebenspartie – sie wurde mir gewissermaßen auf den Leib geschrieben. Ich habe ihn bereits mehrfach in Bayreuth gesungen, besonders in den letzten vier Jahren. Es ist tatsächlich eine Rolle, die so tief in mir verankert ist, dass man mich mitten in der Nacht wecken und einfach sagen könnte: „Sing Wotan!“ – und ich würde sofort loslegen!

War der Wotan auch Ihre erste Wagner-Partie?

Nein. Den Ring habe ich bereits als junger Sänger gesungen, zu einer Zeit, in der ich noch nicht damit gerechnet hatte, dass ich dieses Fach einmal dauerhaft übernehmen würde. In Birmingham und Limerick habe ich damals mit einem Jugendorchester den gesamten Ring gesungen. Meine Partien waren Fasolt und Gunther, die ich in dieser frühen Phase meiner Karriere übernommen habe. Das waren prägende Erfahrungen für mich.

© Kinga Karpati & Daniel Zarewicz

Sie haben Wotan in allen drei Ring-Teilen gesungen. Welchen Wotan mögen Sie am meisten?

Die Walküre ist mit Abstand die beste Oper für Wotan. Allerdings bin ich mittlerweile an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich auch den Siegfried-Wotan sehr zu schätzen weiß. Aber mein Herz gehört ganz klar dem Walküren-Wotan.

Welche musikalischen Herausforderungen bringt der Walküren-Wotan mit sich?

Es ist eine äußerst anspruchsvolle Partie, die viele technische Herausforderungen mit sich bringt. Dennoch hat Richard Wagner sie so geschrieben, dass sie für die Stimme gut passt. Die Rolle umfasst eine große stimmliche Bandbreite – es gibt viele Möglichkeiten, sowohl in der Tiefe als auch in der Höhe zu singen. Wotans Monolog im zweiten Akt beginnt beispielsweise sehr tief, während im dritten Akt eine immense stimmliche Kraft gefragt ist, um sich gegen die gewaltige Orchestrierung durchzusetzen.

Wie fordert diese Dynamik Sie als Sänger-Darsteller heraus?

Neben diesen stimmlichen Anforderungen braucht es aber auch eine starke darstellerische Präsenz. Ohne ein schauspielerisches Temperament wird es schnell langweilig. Man muss nicht nur verstehen, was man singt, sondern es auch fühlen und lieben. Das ist eine der mentalen Voraussetzungen für diese Partie. Zudem ist die Rolle extrem lang – eine gute Kondition ist essenziell. Und man muss akzeptieren, dass Wotan nicht immer eine heroische Figur ist. Er kann in manchen Momenten fast ein Bösewicht sein, ein Gauner, manchmal sogar schlimmer als Alberich. Der wunderbare Regisseur Peter Konwitschny betont dies sehr drastisch. Er sieht Wotan als einen demoralisierenden Machtmenschen und ja, eben einen Gauner – und er hat Recht. Vielleicht entspricht diese Interpretation nicht jedem Geschmack, aber sie folgt dem, was Wagner in seiner Musik angelegt hat, und bleibt eng an der inhaltlichen Substanz des Werks.

Wie viel künstlerische Freiheit hat man in dieser Rolle?

Ich finde, Wagner hat uns Sängern viel Freiheit gelassen. Er hat Wotan wunderbare Worte in den Mund gelegt, dazu eine fantastische Orchestrierung mit Leitmotiven – ein Stoff, von dem man nur träumen kann. Aber was ein Sänger-Darsteller letztendlich daraus macht, das liegt bei ihm. Das macht die Rolle auch so kontrovers. Man kann Wotan edel und nobel singen, aber auch das Gegenteil ist möglich – und es bleibt dennoch Wotan. Das führt oft zu Diskussionen, weil manche Menschen sehr an bestimmten Lieblingsinterpretationen hängen. Man kann es als Darsteller nie allen recht machen. Damit muss man leben.

Haben Sie ein Ritual vor oder nach einer Vorstellung?

Jeder Sänger hat seine eigenen Rituale. Für mich ist das Wichtigste vor solch langen Partien vor allem eines: viel Schlaf. Und unter keinen Umständen Alkohol. Außerdem muss ich meine Stimme schonen und direkt vor der Vorstellung nicht zu viel singen. Wenn man die Stimme zu früh ermüdet, kann das fatale Folgen haben.

Das „Bayreuth des Nordens“: die Waldoper in Zoppot.

Sie sind nicht „nur“ Sänger, sondern auch Künstlerischer Leiter des Baltic Opera Festivals. Was zeichnet dieses Festival aus, und welche Vision steckt dahinter?

Danke für diese Frage! Das Baltic Opera Festival ist für mich wie mein eigenes Kind – manchmal herausfordernd, aber man ist trotzdem mit Leidenschaft dabei. Die Organisation eines solchen Festivals ist nicht immer einfach, besonders da meine eigene Zeit begrenzt ist. Doch das Ziel ist klar: Wir möchten dem Publikum ein außergewöhnliches, hochkarätiges, inklusives und immersives Opernerlebnis bieten. Besonders Menschen, die noch nie in der Oper waren, lassen sich sofort von der einzigartigen Atmosphäre dieses Ortes begeistern.

Die Idee entstand während der Pandemie. Mein geschätzter Kollege Peter Svensson, ein leidenschaftlicher Wagnerianer und Tenor, träumte damals davon, ein Festival an der österreichisch-tschechischen Grenze zu gründen – was ihm auch gelang. In dieser Zeit dachte ich an etwas Ähnliches, aber in Polen: an der Waldoper in Zoppot. Dieses beeindruckende Open-Air-Theater mit 5000 Plätzen hat eine lange Tradition und eine magische Atmosphäre. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde es als „Bayreuth des Nordens“ bezeichnet – und das nicht ohne Grund. Die Akustik ist herausragend, der Orchestergraben ideal – perfekte Bedingungen für große Opernabende.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir dort enorme Erfolge gefeiert. Dennoch bleibe ich mit Prognosen vorsichtig, denn das Festival ist auf staatliche Förderung angewiesen, was Herausforderungen mit sich bringt. Aber ich bin überzeugt, dass wir es fortführen sollten – und mit dieser Überzeugung bin ich nicht allein. Die Direktoren einiger der weltweit wichtigsten Opernhäuser – darunter Bogdan Roščić (Wiener Staatsoper), Dominique Meyer (Teatro alla Scala) und Peter Gelb (Metropolitan Opera New York) – unterstützen das Festival als Mitglieder unseres Ehrenkomitees.

In diesem Jahr präsentieren wir Salome sowie erstmals eine szenische Aufführung der Lukas-Passion von Krzysztof Penderecki. Ich lade Sie alle herzlich ein: Das Festival findet vom 10. bis 16. Juli statt. Und ein Besuch in Polen lohnt sich ohnehin – die Dreistadt mit Danzig, Gdingen und Zoppot steckt voller Geschichte und Legenden. Eine großartige Opernaufführung in der Waldoper ist dann das i-Tüpfelchen. Was will man mehr?

Noch einmal zurück nach Dortmund: Warum sollte man Wagners Die Walküre auf jeden Fall anschauen?

Die Walküre ist eines der großartigsten Werke der Musikgeschichte – und eines der schönsten. Sie enthält alles, was Oper so faszinierend macht. Wir Wotan-Darsteller scherzen manchmal und sagen: „Die Walküre beginnt eigentlich erst im zweiten Akt!“ Aber das stimmt natürlich nicht. Die Walküre ist das Herzstück des Rings, eine Oper voller Komplexität und emotionaler Tiefe. Und hier in Dortmund haben wir das Glück, sie in der legendären Inszenierung von Peter Konwitschny zu erleben. Ich freue mich sehr, Teil dieser Produktion zu sein!

Und zum Schluss noch eine Schnellfragerunde: Gesetz oder Gefühl?

Gefühl.

Brünnhilde oder Fricka?

(lacht) Natürlich Brünnhilde.

Feuer oder Schwert?

Feuer.

Macht bewahren oder loslassen?

(lacht lauter) Macht bewahren.

„Walkürenritt“ oder „Wotans Abschied“?

Wotans Abschied.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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