About Daegyun Jeong

About Daegyun Jeong

Der Bariton Daegyun Jeong ist seit 2022 festes Ensemblemitglied der Oper Dortmund. Nach Studien in Singapur, Köln, Belgien und Frankreich war er zuvor an mehreren Bühnen in Nordrhein-Westfalen zu erleben. In Dortmund begeistert er mit einem vielseitigen Repertoire – von Mozart bis Puccini, von Uraufführungen bis zur amerikanischen Oper. In der Spielzeit 2024/25 war er u. a. als Dr. Falke in Die Fledermaus und als Masetto in Don Giovanni zu sehen. Im Gespräch erzählt er, wie ein Pavarotti-Video seine Begeisterung für die Oper weckte, welche Partie ihm besonders viel Freude bereitet hat und warum ihn die Rolle des Papageno an seine Grenzen brachte.

Lieber Daegyun, lass uns ganz weit in der Vergangenheit beginnen: Erinnerst du dich an den Moment, als Musik das erste Mal etwas Besonderes in dir ausgelöst hat?

In der Grundschule, als ich eigentlich mit Comics und Spielen beschäftigt sein sollte, bin ich über ein Video von Luciano Pavarotti aus einem Konzert der „Drei Tenöre“ gestolpert. Anstatt es einmal zu schauen und weiterzuziehen habe ich es in Dauerschleife laufen lassen, völlig hypnotisiert. Ich war so fasziniert, dass ich sogar versucht habe, ihn nachzuahmen und die italienischen Texte in einer, sagen wir, sehr kreativen koreanischen Version aufzuschreiben. Ob das klanglich irgendeinem existierenden Wort ähnelte? Fraglich. ☺ Bis heute ertappe ich mich dabei, wie ich mir genau dieses Video immer wieder anschaue – ein untrügliches Zeichen, dass ich wohl wirklich für diesen Weg bestimmt bin.

Und dann hast du dich auf den Weg gemacht. Wann hast du entschieden, Sänger zu werden?

Generationenunterschiede hin oder her – bei mir fing alles mit meinen Eltern an. Sie haben schnell gemerkt, wie sehr ich es liebe, Lieder zu hören und nachzusingen, und dachten wohl: „Dann machen wir aus dem Jungen doch einen Sänger!“ Weil sie selbst klassische Musik mochten, haben sie mich darin immer bestärkt und unterstützt. Meine eigentliche Entscheidung Sänger zu werden, habe ich erst viel später getroffen – als ich alleine ins Ausland zog. Eigentlich ist das der Moment, in dem man erwachsen und verantwortungsbewusst werden soll. Aber ich dachte mir nur: „Wenn ich fleißig singe, kann ich mir zumindest meinen Reis verdienen. Also probiere ich es einfach mal mit dem Sängerleben.“

Chou En-Lai in Nixon in China (Spielzeit 2022/23)

Hattest du jemals Zweifel an dieser Berufswahl?

Ich denke ständig darüber nach. Es gibt so viele talentierte Sänger da draußen, und wenn ich sie höre, kommt mir der Gedanke: „Bin ich gut genug?“. Manchmal frage ich mich, ob ich dem Publikum nicht vielleicht eine Entschuldigung schulde. Ironischerweise ist genau dieser Gedanke mein größter Motivator – er treibt mich an, härter zu arbeiten und mich weiterzuentwickeln. Ich bin kein großer Gamer, aber wenn ich sehe, wie meine Frau Videospiele spielt, fühlt sich mein Leben als Sänger ein bisschen so an: Erfahrung sammeln, leveln, stärker werden!

Nach deinem Studium in Singapur und Köln hast du an vielen Bühnen in NRW gesungen und bist mittlerweile festes Ensemblemitglied in Dortmund. Was war für dich die größte Herausforderung auf diesem Weg?

Ganz klar: Mich ständig weiterzuentwickeln und nicht in eine „Ach, das reicht schon“-Haltung zu verfallen. Denn es geht nicht nur um Gesangstechnik, Schauspiel oder das Verstehen der Werke – nein, da sind auch die großen Extras wie das „Überleben“ in einem neuen Land, das Vermeiden kultureller Fettnäpfchen und das Jonglieren mit neuen Sprachen. Ein echtes Komplettpaket! Ich liebe mein Leben, aber ich will trotzdem immer ein bisschen besser werden – etwa wenn es darum geht, meine deutschen Artikel (der, die, das – der pure Horror!) endlich fehlerfrei zu benutzen.

Papageno in Die Zauberflöte (Spielzeiten 2022/23 und 2023/24)

Was war für dich an der Oper Dortmund musikalisch und/oder darstellerisch die bislang größte Herausforderung?

Ohne Zweifel: Papageno! Ich musste so viel Text auswendig lernen, dass ich sogar Albträume davon bekam. In der ersten Probe habe ich die Sätze so oft vermasselt, dass ich irgendwann aufgehört habe zu zählen. Es war der Horror! Ich dachte ständig, dass ich meinen Kollegen nur auf die Nerven gehe. Nach jeder Vorstellung hatte ich zwar ein Erfolgserlebnis, aber der Stress war so groß, dass ich jedes Mal das Gefühl hatte, mindestens zehn neue graue Haare zu bekommen. Noch ein paar solcher Erlebnisse, und ich kann mich direkt nach Haarfärbemitteln umsehen. Also, lieber nicht zu oft.

Welche Rolle hat dir hier am meisten Spaß gemacht?

Marcello in La Bohème zu singen, war einfach fantastisch! Das war eine meiner absoluten Traumrollen, und die Musik von Puccini ist magisch. Ich hoffe wirklich, dass ich diese Rolle noch oft singen kann – bitte, Operngötter, hört mein Flehen!

Masetto in Don Giovanni (Spielzeit 2024/25)

Du hast kürzlich im Opernfoyer mit Schuberts Die schöne Müllerin deinen ersten Liederabend gestaltet. Warum hast du genau diesen Liederzyklus ausgewählt?

Für diesen Liederabend habe ich zum ersten Mal mit meiner Lied-Duo-Partnerin, der Pianistin Laura Pitz zusammengearbeitet. Bei der Programmwahl wollten wir Lieder nehmen, die viele Leute bereits kennen. Ich dachte, dass bekannte Stücke wie Die schöne Müllerin von Schubert das Publikum entspannter zuhören lassen.

Im Anschluss gab es eine sehr besondere Zugabe: ein Lied aus Korea. Worum ging es da und warum hast du das gewählt?

Ich habe als Zugabe das koreanische Lied Unvergesslich (못잊어) gewählt. Zuerst dachte ich daran, ein weiteres Schubert-Lied zu singen, aber dann fiel mir ein, wie ich mich gefühlt habe, als ich zum ersten Mal deutsche Lieder hörte, ohne ein Wort Deutsch zu verstehen. Und trotzdem hatte die Musik eine Magie, die mich tief berührte. Ich wollte den deutschen Zuhörer*innen genau diese Erfahrung ermöglichen – dass Musik auch ohne Sprachverständnis eine Geschichte erzählt.

Ist die koreanische Liedtradition vergleichbar mit der deutschen?

Beide Liedtraditionen verbinden Lyrik und Musik, aber das deutsche Kunstlied ist harmonisch komplexer und dramatischer. Meister wie Schubert und Schumann haben es zu einer einzigartigen Kunstform gemacht. Das koreanische Lied hingegen ist lyrischer, meditativer und hat natürlichere Klangfarben. Es hat seinen eigenen Charme, aber das deutsche Kunstlied bleibt das unangefochtene Vorbild für musikalische Poesie.

Dr. Falke in Die Fledermaus (Spielzeit 2024/25)

Auf der Bühne erlebt man als Darsteller ja einiges: Das meiste geplant, aber manches eben auch nicht. Was war dein verrücktester Bühnenmoment?

Definitiv der Tag, an dem ich in einer der ernsthaftesten Szenen einfach loslachen musste. Ich habe noch versucht, meinen Kopf zur Seite zu drehen, aber meine Stimme hat verräterisch gezittert. Die einzige Rettung? Mein eigener Oberschenkel, den ich so fest gekniffen habe, dass ich vermutlich fast eine Arie darüber hätte schreiben können. Da ich mich mit meinen Kollegen sehr gut verstehe, ist die Anspannung manchmal nicht mehr so groß – und dann reicht eine Kleinigkeit auf der Bühne, um uns alle fast zum Lachen zu bringen. Das ist dann wirklich schwer zu unterdrücken!

Wenn du eine Arie als persönlichen Soundtrack für dein Leben wählen müsstest, welche wäre es?

Da kommt mir sofort die Arie „Mein Sehnen, mein Wähnen“ aus Korngolds Oper Die tote Stadt in den Sinn. Sie erzählt die Geschichte eines Künstlers, der von der Faszination des Tanzes angezogen wird und deshalb seine geliebte Heimat und die Menschen dort verlässt, um als Wanderer zu leben. Die Ekstase, dem nachzugehen, wonach man sich sehnt, der Schmerz, das Vertraute hinter sich zu lassen, das Leben in einer Illusion und die Frage, ob das wirklich Glück bedeutet – all diese komplexen, miteinander verflochtenen Gefühle machen diese Arie für mich so besonders. Ich glaube, viele Menschen, die ihren Träumen folgen, können sich darin wiederfinden – mich eingeschlossen.

Und zum Schluss noch eine Schnellfragerunde. Lieblingsort an der Oper Dortmund?

Die Bühne.

Eine Dimension größer: Lieblingsort in Dortmund?

Mein Zuhause.

Und zuletzt: Beschreibe deinen Beruf in wenigen Worten.

Emotionen transportieren, Kunst schaffen, niemals aufhören zu arbeiten.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

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