7 Dinge über die „Zauberflöte“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten

Am 3. September startete die Oper Dortmund mit ihrer ersten Premiere in die neue Spielzeit 2022/23. Auf dem Programm? Die Zauberflöte – eine der meistgespielten und -geliebten Opern aller Zeiten. Als Kind verzückt uns das Werk durch seine Märchenwelt und seinen unvergleichlichen Bühnenzauber. Im Erwachsenenalter zerbrechen wir uns hingegen den Kopf, was uns Mozart und Schikaneder eigentlich erzählen wollten, welche Kernbotschaften in diesem rätselhaften Werk schlummern?

Die neue Inszenierung von Hausregisseur Nikolaus Habjan macht letztlich beide Parteien glücklich. Habjan nähert sich dem Werk an vielen Stellen aus der Kinderperspektive, überzeugt immer wieder durch humorvolle Einfälle, fantastische Puppen und einen märchenhaften Kulissenzauber. Zugleich verschließt sich die Produktion allerdings auch nicht vor den aktuellen gesellschaftlichen Diskursen. Inwieweit sind die frauenfeindlichen Aussagen im Kontext der Botschaft des Werkes zu verstehen? Wie muss man mit einem Despoten wie Sarastro umgehen? All diese Fragen werden im Laufe der Inszenierung reflektiert. Das Endresultat zeigt einmal mehr, was für eine nach wie vor ungebrochene Qualität in dieser Oper steckt. Höchste Zeit also, sich einmal genauer mit dem Stoff und der neuen Produktion am Opernhaus Dortmund zu beschäftigen. Hier kommen 7 Dinge über Die Zauberflöte, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten:

1.) Der Vogelfänger bin ich ja!

Zauberflöte: Figurine des ‘Papageno’ (Emanuel Schikaneder) aus der Ausgabe des Textbuches (Wien: Alberti 1791)© public domain

Auch wenn man bei der Zauberflöte heutzutage als erstes an Wolfgang Amadeus Mozart denkt, ist der Ursprung der Oper gar nicht auf ihn, sondern auf Emanuel Schikaneder zurückzuführen, der die eigentliche Idee zum Stück hatte und Handlung und Text verfasste. Schikaneder war ein Theatermultitalent und arbeitete nicht nur als Librettist und Dichter, sondern ebenso als Schauspieler, Sänger und Theaterdirektor des Freihaustheaters auf der Wieden. Für ebenjenes Haus konzipierte er Die Zauberflöte und beauftragte Mozart damit, die Musik für seinen Text zu komponieren.

Es ist nun kaum verwunderlich, dass sich Schikaneder als prominenter Theaterallrounder seinerzeit in der Zauberflöte auch selbst auf der Bühne verewigen wollte und die Rolle des Papageno sich selbst auf den Leib schrieb. Daher singt und spricht Papageno im Vergleich zu allen anderen Charakteren auch am meisten Text auf der Bühne. Jünger gemacht hat sich der 40-Jährige Schikaneder ebenso; wie wir von der als alten Frau verkleideten Papagena im zweiten Akt erfahren, soll Papageno in der Oper 28 Jahre alt sein.

In puncto Charakterzüge liegen Papageno und Schikaneder derweil keinesfalls auseinander. Denn ein Lebemann war Schikaneder in der Tat genauso wie Papageno. So wurde er etwa im Mai 1789 in Regensburg aufgrund von „lockeren Lebenswandels“ aus seiner damaligen Freimaurerloge ausgeschlossen. Da überrascht es wenig, dass Papageno mit den Priestern Sarastros nicht wirklich warm wird, bei allen Prüfungen elendig versagt, dies letztlich aber auch augenzwinkernd mit Humor nehmen kann.

2.) Ein seltsames Paar

200 Jahre Uraufführung Zauberflöte, Deutsche Bundespost, 1991 © public domain

Auch wenn sich heute die Entstehungsgeschichte des Werkes leider mehr schlecht als recht rekonstruieren lässt, kann man dennoch ziemlich sicher davon ausgehen, dass Mozart und Schikaneder im Falle der Zauberflöte durchaus eng zusammengearbeitet haben dürften und auch sonst ein freundschaftliches Verhältnis zueinander pflegten. So erlaubte sich Mozart mancherlei Späße gegenüber Schikaneder. Eine der kuriosesten Anekdoten während einer Zauberflöte-Aufführung berichtete Mozart seiner Frau Constanze in einem Brief:

„Nun gieng ich auf das theater bey der Arie des Papageno mit den GlockenSpiel, weil ich heute so einen trieb fühlte es selbst zu Spielen. – da machte ich nun den Spass, wo Schickaneder einmal eine haltung hat, so machte ich ein Arpegio – der erschrack – schaute in die Scene und sah mich – als es das 2te mal kam – machte ich es nicht – nun hielte er und wollte gar nicht mehr weiter – ich errieth seinen Gedanken und machte wieder einen Accord – dann schlug er auf das Glöckchenspiel und sagte halts Maul – alles lachte dann – ich glaube, daß viele durch diesen Spass das erstemal erfuhren, daß er das Instrument nicht selbst schlägt.“

Der Film Amadeus von Miloš Forman nimmt im Übrigen Bezug auf diese Geschichte, allerdings – wie so vieles im Film – ohne die Zielsetzung einer historisch korrekten Darstellung. So erleidet der schwerkranke Mozart während der Papageno-Arie im zweiten Akt einen Ohnmachtsanfall, wodurch er nicht mehr im Stande ist, die Glockenspielmusik aus dem Orchestergraben zu spielen. Der Bühnenzauber ist damit entlarvt, Schikaneder muss peinlich entblößt auf der Bühne verharren.

3.) Die drei Akkorde

Heejin Kim, Hyona Kim, Maria Hiefinger (Die drei Damen) © Björn Hickmann

Die Zahl 3 spielt in der Zauberflöte eine tragende Rolle und zeigt sich etwa im Falle der drei Damen, drei Knaben, drei Pforten zu Sarastros Tempel und selbst im Schlusschor, wenn die Dreieinheit aus „Stärke, Schönheit und Weisheit“ triumphal besungen wird. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Ouvertüre auch mit drei Akkorden beginnt, wie gemeinhin überall zu lesen ist. Allerdings ist diese Aussage nicht ganz richtig. Es sind zwar drei unterschiedliche Akkorde wahrzunehmen und ebenso eine dreifache musikalische Formel, was durch Generalpausen zwischen den Blöcken deutlich markiert wird. Allerdings hören wir faktisch insgesamt fünf Akkorde: einen ersten singulären und zwei nachfolgende, die jeweils wiederholt werden. Im Mittelteil der Ouvertüre sind es dann sogar 9 Akkorde, die im Übrigen nun nicht mehr in der Anfangstonart Es-Dur und vom gesamten Orchester gespielt, sondern in B-Dur nur noch von den Bläsern intoniert werden. Der Dirigent Wilhelm Furtwängler ging gar so weit zu sagen, dass die Es-Dur-Einleitung etwas grundlegend anderes sei als die 9 Akkorde im Mittelteil der Ouvertüre.

4.) Vom hohen zum tiefen f

Manuela Linshalm, Denis Velev (Puppenspielerin, Sarastro) © Björn Hickmann

Den höchsten Ton, den die Königin der Nacht in der Oper erreicht, ist das dreigestrichene f. Ihrem Gegenspieler Sarastro hat Mozart als tiefste Note ebenso ein F, in diesem Fall das F der großen Oktave, vorgeschrieben. Eindrucksvoll wird dieses vor allem beim ersten Auftritt Sarastros im Finale des ersten Aktes eingeführt. Nach den Worten „Zur Liebe will ich dich nicht zwingen“ pausiert das Orchester, woraufhin Sarastro ein isoliertes „doch!“ auf besagtem F singt, und den Satz mit „doch schenk ich dir die Freiheit nicht!“ beendet. Man kann hier durchaus von einem bedrohlichen Überraschungsmoment sprechen, der von Regisseur Nikolaus Habjan während der Probenarbeit interessant gedeutet wurde. Hier geht es nicht allein darum, dass Sarastro Pamina nach wie vor die Freiheit verwehrt, sondern es zeigt sich im Grunde auch die große Frustration Sarastros, der nun von der schönen Prinzessin lassen muss. Das „doch“ sollte dementsprechend eher auf den Anfang und nicht auf das Ende des Satzes bezogen werden. „Zur Liebe will ich dich nicht zwingen“. Aber eigentlich will es Sarastro „doch“.

Ensemblemitglied Denis Velev übergeht im Übrigen Mozarts Vorgabe, das tiefe F als maximalen Tiefpunkt zu verstehen. So singt er am Ende der Hallen-Arie in seiner letzten Phrase einen Alternativabgang bis zum tiefen E. An der Oper Dortmund hört man damit sogar tieferen Gesang als zu Mozarts Zeiten in Wien.

5.) Mozart und die Flöte

Sungho Kim, Tanja Christine Kuhn (Tamino, Pamina) © Björn Hickmann

Auch wenn seine vielleicht berühmteste Oper den Namen „Zauberflöte“ trägt, gestaltete sich das reale Verhältnis zwischen Mozart und dem Instrument als äußerst schwierig. Mozart mochte die Flöte schlicht und ergreifend nicht. Seiner Oper hat dieser persönliche Missmut zum Glück keineswegs geschadet.

6.) Der dritte Streich

Regisseur Nikolaus Habjan © Björn Hickmann

Dass die Zahl 3 eine besondere Rolle in der Zauberflöte spielt, wurde bereits angemerkt. Da ist es wenig überraschend, dass die Neuproduktion nach Die Entführung aus dem Serail und Tosca auch die dritte Inszenierung von Hausregisseur Nikolaus Habjan in Dortmund darstellt. Für den Regisseur und Puppenbauer erfüllt sich damit ein Lebenstraum, war es doch gerade diese Oper, die seine Liebe zum Musiktheater entfachte. Die zu seinem Markenzeichen gewordenen Klappmaulpuppen dürfen in der Märchenwelt der Zauberflöte selbstverständlich nicht fehlen. Verbunden mit großartigen Bühneneffekten sowie einer Regieführung, die zugleich witzig als auch tiefgründig die Handlung durchleuchtet, ist eine zauberhafte Inszenierung geglückt, die Opernneulinge langfristig für die Oper begeistern kann, ebenso aber auch den erfahrenen Operngängern Freude bereiten wird.

7.) Ein besonderes Wiedersehen

Johannes Martin Kränzle © Monika Rittershaus

Vor 35 Jahren begann der Bariton Johannes Martin Kränzle seine Karriere an der Oper Dortmund. Seitdem gastierte er erfolgreich an den großen Häusern dieser Welt, so u. a. an der Metropolitan Opera, bei den Bayreuther Festspielen und zuletzt an der Staatsoper Berlin, wo er diese Spielzeit Alberich im Ring des Nibelungen singt. Für die Galavorstellung am 11. November wird Kränzle an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren und zur Feier seines Bühnenjubiläums den Papageno singen.

Titelbild: Björn Hickmann

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