In dieser Spielzeit hat sich Gil Mehmert eine ganz besondere…
Regisseurin Kristine Stahl im Gespräch
In der Jungen Oper Dortmund erblickt am 13. Dezember 2023 die mobile Kinderoper Das NEINhorn nach Marc-Uwe Klings gleichnamigem Bucherfolg das Licht der Welt. Das Stück dreht sich um ein bockiges Einhorn, das mit seinem ständigen NEIN-sagen seine Eltern zur Verzweiflung treibt, sich schließlich auf eine Reise begibt und dort Freundschaft mit dem WASbär, dem NAhUND und der KönigsDOCHter schließt – Figuren mit sehr eigenen Charakterzügen. Die Oper, die sich an Kinder ab 4 Jahren richtet, wurde von Composer in Residence Michael Essl geschrieben (letzte Spielzeit: Mädchen in Not). Kristine Stahl verantwortlich für Inszenierung und Ausstattung der Produktion, hat sich unseren Fragen gestellt.
Wie sein Name vermuten lässt, sagt das NEINhorn zu allem Nein. Warum eigentlich?
Es sagt ja gar nicht zu allem Nein – es wehrt sich nur, weil es von seinen Helikopter-Eltern nicht ständig bevormundet werden möchte. Und die erdrücken es nicht nur mit ihrer übergroßen Fürsorge, sondern schütten es auch so sehr mit Freizeitangeboten zu, dass es gar keinen Raum mehr für eigene Ideen oder Gedanken hat. Und um sich aus dieser Lähmung zu befreien, sagt es eben „Nein!“.
Ist das ein Problem unserer heutigen Zeit?
Ich finde schon – denn der Umgang mit Kindern und dem Kindsein hat sich verändert. In früheren Generationen haben Kinder entweder keine Rolle gespielt oder sie wurden verprügelt, beschimpft oder wie kleine Erwachsene behandelt. Es ist sehr gut, dass diese Zeiten vorbei sind. Heute leben wir dafür in einer Zeit, in der Eltern manchmal zu hohe Erwartungen an die Zukunft eines Kindes haben und diesem zu wenig Raum für sich selbst lassen.
Verbindest du persönlich etwas mit der Geschichte?
Als ich meine Tochter bekam, war ich noch sehr jung. Und eines ihrer ersten Worte war ebenfalls „Nein!“ – weil sie das wahrscheinlich ganz oft von mir gehört hat. Im Nachhinein bedauere ich das, denn dieses Verbots-Wort war sehr präsent und prägt ein Kind ja auch. Meine Tochter geht mit ihren Kindern ganz anders um und das macht mich wahnsinnig stolz.
Du bist ausgebildete Puppenspielerin und hast vor einigen Jahren damit begonnen, im Puppen- und Sprechtheater selbst Regie zu führen. Das NEINhorn ist deine erste Oper. Wie ist das für dich?
Im Vergleich zu einem Sprechtext gibt eine Komposition mehr vor. Das muss ich bedenken, wodurch ich auch viel stärker an die Musik gebunden bin. Im Schauspiel kann ich Rhythmus, Pausen und Schnelligkeit selbst bestimmen. In einer Oper ist das vorgegeben und mitgedacht, weshalb auch das Streichen von Text nicht so einfach möglich ist. Das klingt zunächst nach Einschränkung, gibt aber auch Halt. Letztlich ist die Musik ein Rahmen, in dem ich auf Entdeckungsreise gehen kann. Oder ein Buch, das ich ausmalen darf. Und das macht mich richtig glücklich!
Wie schnell hast du dich daran gewöhnt, dass die Figuren singen, anstatt zu sprechen?
Sehr schnell, was ich nicht gedacht hätte! Das liegt aber vor allem an den wunderbaren Darsteller*innen, die mich das Singen als etwas Natürliches empfinden lassen, was mir viel Freude bereitet.
© Björn Hickmann
In der Produktion bist du zuständig für Regie, Bühne, Kostüme und die Puppengestaltung – eine künstlerische Personalunion. Wie wirkt sich das auf deine Arbeit aus?
Die kreativen Wege sind kürzer und direkter. Da Inhalt und Ästhetik nur aus einem Kopf kommen, bedingen sie einander sehr stark und sind – hoffentlich! – auch gut aufeinander abgestimmt. Es fällt auch leichter, manche Dinge nicht zu machen, beispielsweise Requisiten oder Kostümteile zu streichen; tut ja schließlich keinem weh außer mir. Es besteht so aber auch die Gefahr, etwas nicht mitzudenken. Deshalb freue ich mich auch, wenn ich jemanden im Team habe, mit dem ich mich streiten kann!
Was ist dir beim Regieführen wichtig?
Ich bringe den Darsteller*innen eine hohe Wertschätzung entgegen und ermutige sie zum freien Spielen. Sie sollen an dem Spaß haben, was sie tun, und sich wohl fühlen. Denn ein Mensch, der sich wohlfühlt, arbeitet auch gern und besser.
Wenn das NEINhorn auf Reisen geht, schließt es schnell neue Freundschaften: mit dem WASbär, dem NAhUND und der KönigsDOCHter. Die ersten beiden sind Puppen, KönigsDOCHter und NEINhorn aber nicht. Wieso?
Wir haben ein Stück mit drei Sänger*innen, aber vier Figuren, die alle gleichzeitig auf der Bühne sind. Da lag es für mich nahe, mit Puppen zu arbeiten. Das NEINhorn ist für mich eine agile, körperliche Figur, weshalb ich dafür auch gerne eine agile, körperliche Besetzung haben wollte. Auch die KönigsDOCHter ist sehr präsent und trägt durch die Geschichte – außerdem sind Cosima und Wendy einfach perfekte Besetzungen für diese Figuren! Daraus folgte die Entscheidung, die beiden Felltiere, die eher begleiten und beobachten, durch Puppen darzustellen.
© Björn Hickmann
Worauf legst du beim Puppenspiel und bei der Gestaltung einer Puppe wert?
Mein Ziel beim Spielen ist es, die Puppe zum Leben zu erwecken. Eine Puppe ist für sich ja bloß totes Material. Durch das Spiel bekommt sie einen Willen, Motivation, ein Ziel, letztlich einen eigenen, wiedererkennbaren Charakter – das ist nicht so einfach. Ich war überrascht, wie gut Franz, unser Bariton, das macht, obwohl er noch nie in dieser Art mit Puppen gearbeitet hat. Vom Aussehen her ist mir wichtig, dass die Puppen nicht zu niedlich sind, sondern etwas „Schräges“ an sich haben. Und das passt ja dann im Falle von Das NEINhorn auch sehr gut zu den Figuren der Geschichte.
Du hast Das NEINhorn schon einmal am Schauspiel in Wiesbaden umgesetzt. Jetzt hier in Dortmund als Oper – würdest du es auch ein drittes Mal inszenieren?
Darüber habe ich tatsächlich schon nachgedacht. Ich denke: Ja. Es würde mich sehr reizen, das Stück erneut aus einer weiteren, spannenden Perspektive zu betrachten.
Und würdest du dich erneut an eine Oper wagen?
Ich denke schon! Ich bin jetzt auf den Geschmack gekommen.
Möchtest du zum Abschluss noch etwas sagen?
Es ist schön, hier zu arbeiten. Und es ist schön, immer wieder woanders hinzugehen, neue Menschen kennenzulernen und mit ihnen Geschichten zu entdecken.
Kristine Stahl: Theater Dortmund
Das NEINhorn: Theater Dortmund
Titelbild: © Thorsten Biel