Rückschau Come & See Am 09. September stellte das Theater…
7 Dinge über „Marie-Antoinette“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …
Am Dienstag, 1. Oktober 2024 feiert die neue Oper Marie-Antoinette oder Kuchen für alle! von Marc L. Vogler – ab Beginn der Spielzeit 2024/25 Hauskomponist der Jungen Oper – ihre Uraufführung im Dortmunder Operntreff. In dieser turbulenten musikalischen Komödie, basierend auf dem gleichnamigen Schauspiel von Peter Jordan, trifft das Publikum auf zahlreiche Figuren aus der Zeit des Ancien Régime sowie der Französischen Revolution: neben Marie-Antoinette unter anderem auch auf König Ludwig XVI., die berüchtigte Comtesse du Barry, den Revolutionsführer Maximilien de Robespierre sowie Napoleon Bonaparte – eingebettet in eine Musik, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt und einen weiten stilistischen Bogen von der klassischen Oper über Jazz, Pop und Hip-Hop bis hin zu moderner Filmmusik spannt. Erzählerisch steht hierbei das Schicksal der titelgebenden französischen Königin im Zentrum einer aberwitzigen Handlung, in der historische Fakten in einen alternativen Geschichtsverlauf verpackt und durch haarsträubende Verwicklungen immer weiter zugespitzt werden – Grund genug, sich einmal 7 Hintergründe zur historischen Marie-Antoinette vor Augen zu führen, die dem Publikum (vielleicht) noch nicht bekannt sind …
1. Kuchen für das Volk
Besser als trocken Brot: eine Torte als königlicher Gaumenschmaus.
Mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 brach sich der geballte Zorn des Volkes auf das Ancien Régime Bahn und ebnete den nachfolgenden Ereignissen der Französischen Revolution den Weg. Vorausgegangen waren diverse kleinere Revolten auf den Straßen von Paris sowie – aufgrund der ins Astronomische angestiegenen Preise für Mehl – lautstarke Forderungen des einfachen Volkes nach Brot. Marie-Antoinettes überlieferte Reaktion „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie halt Kuchen essen“ ist bis heute der wohl bekannteste Ausspruch der Königin – den diese jedoch nachweislich niemals getätigt hat! Auf wen dieses Bonmot tatsächlich zurückzuführen ist, darüber existieren in der neueren Geschichtsforschung gleich mehrere Theorien. Fest steht lediglich: Marie-Antoinette war es nicht. (Tatsächlich scheint sie von dem Leid ihres Volkes nicht einmal so viel Notiz genommen zu haben, dass es zu einer solchen Bemerkung gereicht hätte.)
2. Marie… wer?
Die junge Marie-Antoinette als Erzherzogin Maria Antonia von Österreich im zarten Alter von sieben Jahren. (Jean-Étienne Liotard, 1762)
Heute gilt der Name Marie-Antoinette als Synonym für das französische Königshaus – und sie als die bekannteste Königin ihrer Zeit (Oder welche Namen französischer Königinnen des 18. Jahrhunderts sind der breiten Öffentlichkeit ansonsten noch bekannt …?). Tatsächlich hörte sie ursprünglich auf den Namen Maria Antonia, da sie im November 1755 – als letzte Tochter von Kaiser Franz I. und Maria Theresia von Österreich – in Wien zur Welt kam. Erst als die Erzherzogin Maria Antonia im Mai 1770 mit dem französischen Thronfolger Louis-Auguste (dem späteren Ludwig XVI.) verheiratet wurde, nahm sie – den Gepflogenheiten der damaligen Zeit entsprechend – ihren heute bekannten Namen in der französisierten Schreib- und Sprechweise an.
3. Marie-Antoinette Moviestar
Schauspielerin Kirsten Dunst in der Titelrolle von Sofia Coppolas Biopic Marie-Antoinette aus dem Jahr 2006. (© Sony Pictures)
Marie-Antoinettes Leben war von derart abenteuerlichen Wendungen durchzogen, dass gleich mehrere Filme darüber gedreht worden sind. So wurden bis heute rund 20 verschiedene Film- und Serienproduktionen für Kino, Fernsehen und moderne Streaming-Dienste produziert. Allen voran sind hier die US-Produktion Marie-Antoinette von 1938 (von Regisseur W. S. van Dyke) sowie die französisch-italienische Produktion Maria Antoinette Queen of France aus dem Jahr 1956 (von Regisseur Jean Delannoy) zu nennen. In neuerer Zeit brachte Regisseurin Sofia Coppola anno 2006 die tragische Lebensgeschichte der französischen Monarchin auf die Kinoleinwand – deren Film endet allerdings mit dem Ausbruch der Französischen Revolution und dem „Abtransport“ der königlichen Familie vom Schloss in Versailles in den Pariser Tuilerienpalast. 2007 wurde Coppolas Verfilmung, mit Hollywood-Sternchen Kirsten Dunst in der Hauptrolle, außerdem mit einem Oscar für das beste Kostümbild ausgezeichnet.
4. Marie-Antoinette Modestar
Karikatur auf die Frisurenmode am französischen Hof aus den 1770er-Jahren.
Zeit ihres Lebens war Marie-Antoinette sehr auf ihr Äußeres bedacht. Als „Stilikone“ ihrer Zeit war sie maßgeblich für diverse Modetrends am Versailler Hof mitverantwortlich. Der sogenannte „Pouf“ etwa war eine Turmfrisur, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich aufkam und sich dann auch in anderen Ländern, allen voran in England, durchsetzte. Er wurde von dem Friseur Léonard-Alexis Autié kreiert und von Marie-Antoinettes und ihrer Modistin Rose Bertin unter den Damen des Adels in der vorrevolutionären Zeit populär gemacht. Da zur „Errichtung“ dieser bis zu 60 Zentimeter hohen Haartürme unter anderem Mehl als festigender „Mörtel“ verwendet wurde, galten diese Frisuren allerdings mit wachsender Hungersnot in den ärmeren Teilen der Bevölkerung kurz vor Ausbruch der Französischen Revolution als geradezu obszön – was zahlreiche Karikaturen zur Folge hatte, die den Pouf als Sinnbild für all das erscheinen ließ, was im absolutistischen Frankreich der damaligen Zeit gerade „falsch lief“.
5. Ohne Konkurrenz
Madame du Barry, die Mätresse Ludwigs XV. (Gemälde von Élisabeth Vigée-Lebrun, 1782)
Im 18. Jahrhundert – dem Zeitalter aristokratischer Zweckhochzeiten aus politischem Kalkül – war es an europäischen Fürstenhöfen gang und gäbe, als „Mann von Welt“ neben der offiziellen Ehefrau eine Mätresse als „Gemahlin zur Linken“ zu haben; von den Ehepartnerinnen, die den dynastischen Nachwuchs gebären sollten, wurde hingegen strikte Treue erwartet (Das chauvinistische 18. Jahrhundert lässt grüßen!). Zu den wohl berüchtigtsten Vertreterinnen dieses Standes zählt – die 1743 in bürgerlichen Verhältnissen geborene und erst später als Favoritin des Königs in den Adelsstand erhobene – Marie-Jeanne Bécu, comtesse du Barry, die als Mätresse Ludwigs XV. in die Geschichte eingegangen ist. Ob aus mangelndem Interesse am weiblichen Geschlecht oder aus Liebe zu seiner Gemahlin, unterhielt Ludwig XVI. während seiner Ehejahre mit Marie-Antoinette allerdings keine Beziehung zu einer Mätresse – hoffen wir für Marie-Antoinette auf Letzteres …
6. Diamonds Are A Girls Best Friend
Kardinal Louis de Rohan (Gemälde von Louis René Edouard)
Die sogenannte „Halsbandaffäre“ war ein Betrugsskandal am französischen Hof in den Jahren 1785 und 1786, in den auch Königin Marie-Antoinette verwickelt wurde: Die Pariser Juweliere Charles Auguste Boehmer und Paul Bassenge hatten einige Jahre lang Diamanten von außergewöhnlicher Größe und Reinheit für ein Collier im Wert von 1,8 Millionen Livres gesammelt – doch an allen Höfen, an denen sie das Collier zum Kauf anboten, schreckte man vor dem hohen Preis zurück. Zwei Betrüger, der Abenteurer Alessandro Cagliostro und die Comtesse de la Motte, machten dem Kardinal Louis de Rohan – der bei Marie-Antoinette in Ungnade stand, deren Gunst er jedoch um jeden Preis gewinnen wollte – Glauben, dass ihm die Königin auf ewig zu Dank verpflichtet sein würde, wenn er das Collier heimlich für sie erwürbe, um es ihr danach unter der Hand zu überreichen (den ausgelegten Betrag sollte der Kardinal später in Raten vom Hof zurückerstattet bekommen). Kurzum: de Rohan ging den Betrügern in die Falle, erwarb das Collier für die Königin und bezahlte dafür die komplette Summe von 1,8 Millionen Livre. Der Betrug flog erst auf, als der Kardinal das Geld vom Hof zurückforderte und die Betrüger bereits längst über alle Berge waren – dort wusste man allerdings nichts vom Erwerb des besagten Colliers; und der öffentliche Skandal war perfekt! Obwohl vollkommen unschuldig, glaubte die französische Öffentlichkeit, dass eine so modebewusste und stets auf ihr Äußeres bedachte Person wie Marie-Antoinette irgendwie in die Sache verwickelt sein musste – und so trug die Halsbandaffäre maßgeblich dazu bei, dass Marie-Antoinette in revolutionären Schmähschriften fortan als „Madame Defizit“ tituliert und ihr hierdurch eine erhebliche Mitschuld an der horrenden Staatsverschuldung Frankreichs gegeben werden sollte …
7. Eine Oper für die Königin
Christoph Willibald Gluck (Gemälde von Joseph Siffred Duplessis, 1775)
Anno 1774 brachte der deutsche Komponist und „Opernreformer“ Christoph Willibald Gluck in der Pariser Académie Royale de Musique eine französische Bearbeitung seiner ursprünglich italienischsprachigen Oper Orpheus und Eurydike aus dem Jahr 1762 erfolgreich zur Uraufführung, deren Partitur er der französischen Dauphine Marie-Antoinette widmete. Folgerichtig beginnt Marc L. Voglers 2024 entstandene Oper Marie-Antoinette oder Kuchen für alle! mit einem direkten musikalischen Zitat aus eben dieser Oper, indem sie gleich zu Beginn „historisch korrekt“ die Ouvertüre aus Glucks Orpheus und Eurydike parodiert. Und auch durch ihre Instrumentierung – mit Cembalo, Pauke und Trompete – knüpft Voglers Musik mehr oder weniger direkt an die Opernkonventionen des 18. Jahrhunderts an – doch nur, um direkt mit dem ersten gesungenen Wort aus dem Munde der Königin mit so ziemlich allen hierdurch erzeugten Erwartungen an eine Oper, die inhaltlich im 18. Jahrhundert angesiedelt ist, kalkuliert zu brechen … Wie genau? Das bleibt den Besucherinnen und Besuchern einer Vorstellung von Marie-Antoinette oder Kuchen für alle! in der Jungen Oper Dortmund vorbehalten! Kostprobe gefällig?
Ouvertüre zu Marie-Antoinette oder Kuchen für alle!, MIDI-Sequenz