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7 Dinge über „Sweeney Todd“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …
Am 18. Oktober erlebt der Musical-Thriller Sweeney Todd von Stephen Sondheim seine Dortmunder Premiere in der Regie von Gil Mehmert – mit Ks. Morgan Moody in der Titelpartie und Bettina Mönch als Mrs. Lovett in den beiden Hauptrollen. Hier kommen 7 Dinge über Sweeney und seine Welt, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …
1. Zu Besuch bei Sweeney
Abb. aus dem Buch Sweeney Todd: The Demon Barber of Fleet Street von Robert Mack (2010).
Sweeney Todd ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine rein fiktive Figur. Alle in den letzten Jahren aufgetauchten Hinweise über seine vermeintlich „reale“ Existenz sind als zweifelhaft anzusehen. Dennoch gibt der anonyme Autor des Groschenromans The String of Pearls, in dem erstmals die Figur des Mr. Todd auftaucht, einen Hinweis darauf, wo sich der berüchtigte Friseursalon – wäre er denn real – befunden haben könnte: „Das Haus in der Fleet Street, das Schauplatz von Todds Verbrechen war, existiert nicht mehr. Ein Feuer, das ein halbes Dutzend Gebäude auf dieser Straßenseite zerstörte, hat auch Todds Haus vernichtet; doch der Geheimgang, der zweifellos teilweise durch den Wiederaufbau der St. Dunstanʼs Kirche blockiert wurde und die Gewölbe dieses Gotteshauses mit den Kellern des Hauses verband, das einst Todds in der Fleet Street war, existiert noch immer.“ Sweeney-Fans und Fantasten glauben, dass Todds Haus an der Adresse 186 Fleet Street gestanden haben könnte – direkt neben der Kirche St. Dunstan-in-the-West in der Londoner City.
2. Ein makabrer Soundtrack
Concerto Macabre von Bernard Herrmann
In Sondheims Partitur finden sich zahlreiche mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen auf verschiedenen Tondichtern, von Donizetti über Britten bis Weill. Der Komponist selbst wies stets darauf hin, dass seine größte Inspirationsquelle der Soundtrack von Bernard Herrmann zum Film Hangover Square von John Brahm war. Der Film handelt von einem talentierten Musiker, der bei lauten oder dissonanten Geräuschen die Kontrolle über sich verliert und wahllos Menschen tötet. Herrmann komponierte die Musik für viele Thriller der goldenen Ära Hollywoods (z. B. für Vertigo oder Psycho von Alfred Hitchcock), aber in Hangover Square übertraf er sich selbst. Für den Auftritt des Protagonisten schrieb er sogar ein ganzes Klavierkonzert! Der Film geriet leider schnell in Vergessenheit, aber das Concerto Macabre, das den Schöpfer von Sweeney tief beeindruckte, wurde mehrfach aufgenommen.
3. Oper oder Musical?
Bryn Terfel und Emma Thompson als Sweeney Todd und Mrs. Lovett in Londoner Coliseum (2014) © Chris Lee
Die Debatte über das Genre von Sweeney Todd reißt seit der Premiere nicht ab. Ist es eine Oper, eine Operette oder ein Musical? Sondheim selbst nannte sein Werk einen Musical-Thriller und entzog sich dadurch geschickt jeglicher Kategorisierung. Dennoch ist die Hauptrolle zu einer der begehrtesten unter Opernsängern geworden. Der berühmte walisische Bassbariton Bryn Terfel zögerte lange, sich an Sweeney heranzuwagen, wurde aber schließlich einer der beeindruckendsten Interpreten der Partie des rachsüchtigen Barbiers. Johnny Depp, der Hauptdarsteller des gleichnamigen Films von Tim Burton, verfügt keine klassische Gesangsausbildung, sang aber in seiner Jugend in einer Rockband namens The Kids. Trotzdem scheute er sich nicht, die anspruchsvolle Rolle des Todd zu übernehmen – und erhielt hierfür verdientermaßen eine Oscar-Nominierung.
4. Die Teufelskreise
Die Ballade von Sweeney Todd (Klavierreduzierung)
Eine der zentralen Ideen des Musicals ist die Kreisbewegung. Anthony irrt auf der Suche nach Johanna durch die Stadt. Der Richter kehrt in Todds Salon zurück, um endlich seine gerechte Strafe zu erhalten. Und schließlich muss das menschliche Fleisch in Mrs. Lovetts Fleischwolf dreimal durchgedreht werden, damit ihre berühmten Pasteten auf der Zunge zergehen. Sondheim versteckte entsprechende Symbole in der Musik. Eines davon ist das Ostinato – unzählige Wiederholungen kurzer Motive im Orchester. Ein solches Begleitmuster ist beispielsweise im allerersten Stück, Die Ballade von Sweeney Todd, zu hören. Diese mechanische Repetition kleiner musikalischer Ideen schafft einerseits eine beklemmende Atmosphäre und deutet andererseits darauf hin, dass die Figuren in einer riesigen, erbarmungslosen Maschine namens London gefangen sind.
Außerdem ist das zentrale Stück, Prälat – das Duett darüber, wie Menschen unterschiedlicher Berufe schmecken –, nichts anderes als ein Walzer: Sweeney und Mrs. Lovett drehen sich im Tanz und bemerken nicht, dass sie in eine Falle geraten sind. Die Harmonie bleibt auf zwei sich wiederholenden Akkorden hängen und bewegt sich kaum vorwärts. Dieser Totentanz könnte endlos weitergehen …
5. Zu viel Gewalt?
Original-Kupferstich des ersten Drucks von The String of Pearls (1850)
Für manche Zuschauer war die Premiere von Sweeney Todd im Jahr 1979 eine eher unangenehme Überraschung: Zum ersten Mal wurden auf einer Broadway-Bühne Themen wie Rache, sexuelle Gewalt oder psychische Störungen derart schonungslos dargestellt. Doch der Autor des Originalstückes, Christopher Bond, war zufrieden. Auf das schroffe Urteil eines Premierenbesuchers, dass Sondheims Musical herzlos sei, entgegnete er: „Das Herz ist ein großer und mächtiger Muskel, das Blut pumpt – ein Organ, das höchst ungeeignet ist, um es mit einer rosa Schleife zu versehen. Und wenn in Sweeney Todd dieses Blut manchmal von Galle schwarz ist, so bleibt es doch heiß, dickflüssig und brodelt vor Lebensenergie.“
6. Meister aller Künste
Ensemble einer Produktion von Sweeney Todd (2005). © Sara Krulwich / The New York Times
Stephen Sondheim hatte nie etwas dagegen, wenn seine Werke durch andere neu interpretiert und umgestaltet wurden. Im Jahr 2005 kam am Broadway wohl eine der ungewöhnlichsten Inszenierungen von Sweeney Todd zur Aufführung. In dieser Produktion mussten die Darsteller sowohl singen als auch Musikinstrumente spielen. Zum Beispiel übernahm Mrs. Lovett die Tuba, Johanna das Cello und Richter Turpin hatte ein Solo auf der Trompete. Diese Version erhielt sechs Tony-Nominierungen, darunter auch eine für die beste Wiederaufnahme eines Musicals.
7. Mächtiges Vorbild
Carrie und ihre Mutter in der Off-Broadway Produktion von Carrie – Das Musical © Sara Krulwich / The New York Times
Sondheims Meisterwerk hat viele Künstler inspiriert. Ohne die Orgel-Sounds von Sweeney Todd hätte es Das Phantom der Oper nicht gegeben. Ähnlich wie in Sweeney vermischen sich auch in Tanz der Vampire Horror, Komödie und opernhaftes Pathos. Der überraschendste Nachfolger des Musical-Thrillers ist jedoch das Musical Carrie (basierend auf dem gleichnamigen Roman von Stephen King), das klanglich der Pop- und Rockmusik näher ist als der Oper oder Operette. Dessen Autoren Michael Gore und Dean Pitchford bekennen im Vorwort des Librettos offen ihre Bewunderung für Sweeney Todd und nennen das Stück als ihr Vorbild. Carrie ist übrigens auch in der Spielzeit 2024/25 an der Oper Dortmund zu sehen! Wenn Sie eine weitere schaurige Geschichte erleben möchten, sichern Sie sich also schnell Karten für die Premiere am 17. Mai im Rahmen der Projektreihe We DO Opera!