Ab dem 15.09.2024 steht Giuseppe Verdis Opernklassiker La traviata in…
7 Dinge über „Götterdämmerung“, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …
Vollendet das ewige Werk: Der Dortmunder Ring-Zyklus wird sehr bald geschmiedet sein! Am 18. Mai 2025 feiert Götterdämmerung in der Regie von Peter Konwitschny Premiere an der Oper Dortmund. Hier finden Sie 7 Hintergründe zu Werk, Komponist und Aufführungsgeschichte, die Sie (vielleicht) noch nicht wussten …
1. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
Die Urfassung des Prologs zu Siegfrieds Tod, rekonstruiert von Werner Breig.
Die Entstehungsgeschichte von Der Ring des Nibelungen beginnt – wie unter Musikkennern hinlänglich bekannt – mit dem Ende. Ursprünglich hatte Richard Wagner geplant, lediglich eine einzige Oper mit dem Titel Siegfrieds Tod zu komponieren. Im Jahr 1848 vervollständigte er das Libretto dazu und entwarf sogar einige musikalische Skizzen. Doch Wagner hatte das Gefühl, dass etwas Entscheidendes fehlte. Seine Freunde Eduard Devrient und Theodor Uhlig regten daraufhin an, bestimmte Details – etwa die zahlreichen Rückblicke der Figuren auf ihre Vergangenheit und Vorgeschichten – genauer auszuarbeiten. So entstand zunächst das Prequel Der junge Siegfried, dem zwei weitere Libretti folgten, die schließlich die Tetralogie komplettierten. Nachdem alle Texte fertiggestellt waren, kam für Wagner die Zeit des Komponierens — nun allerdings in chronologischer Reihenfolge. Das gesamte Projekt erstreckte sich über mehr als zwanzig Jahre. Im Jahr 1872 war die Arbeit an Götterdämmerung abgeschlossen. Wenn Sie erfahren möchten, wie alles begann, können Sie Siegfrieds Tod in einem der Bände von Wagners Gesammelten Dichtungen und Schriften nachlesen. Der Komponist höchstselbst legte Wert darauf, dass dieser Text in die Anthologie mit aufgenommen wurde. Und in die ersten musikalischen Ideen kann man sogar reinhören: Musikwissenschaftler haben den Prolog nahezu vollständig aus Wagners verstreuten Entwürfen rekonstruiert. Können Sie zehn Unterschiede zwischen der ursprünglichen und der endgültigen Fassung finden … ? – Versuchen Sie es einmal!
Im Jahr 2000 fing Peter Konwitschny seine Auseinandersetzung mit der Tetralogie auf dieselbe Weise an, wie seinerzeit Richard Wagner – mit dem Finale. Fünfundzwanzig Jahre später krönt die legendäre Stuttgarter Inszenierung von Konwitschnys Götterdämmerung einen ganz anderen Zyklus: den neuen Dortmunder Ring.
2. Müssen Helden auch üben?

Jean de Reszke, einer der ersten Sänger des Siegfrieds, © Félix Nadar.
Auch große Meisterwerke sind so gut wie nie frei von Fehlern oder Auslassungen – und Götterdämmerung bildet da keine Ausnahme. In der dritten Szene des ersten Aufzugs hört Brünnhilde den Ruf von Siegfrieds Horn. Doch anstelle des Helden betritt ein vermeintlich Fremder den Walkürenfelsen. Es ist natürlich niemand anderes als Siegfried, der mithilfe seines Tarnhelms die Gestalt Gunthers angenommen hat. Doch warum stellt Brünnhilde nicht die naheliegendste Frage: Wer hat das Horn meines Mannes geblasen und wo ist er?
In Siegfrieds Tod, der „Urfassung“ zu Götterdämmerung, gab es noch einen solchen Dialog!
Brünnhilde: Doch hört’ ich ein Horn – Siegfrieds Horn?
Siegfried: Der heit’re Held hütet das Schiff,
darin du morgen mir folgest:
wohl übt er munt’re Weisen.
Brünnhilde: Siegfried? – Du lügst!
Siegfried: Er wies mir den Weg.
Warum Wagner diese Passage nicht in die endgültige Fassung aufgenommen hat, bleibt unklar. Vielleicht muss der hehrste Held der Welt eben nicht – wie alle anderen Sterblichen – auf einem Musikinstrument üben. Er meistert die schwierigen Passagen natürlich gleich beim ersten Mal.
3. Mitteilung an meine Musikfreunde

Karikatur Richard Wagners am Dirigentenpult, © Karl Klic / Wien Museum.
Wagner soll, aufgrund seiner starken Persönlichkeit und ausgeprägten Eigenliebe, nicht der angenehmste Mensch gewesen sein. Dennoch hinterließ er zur ersten vollständigen Aufführung des Rings ein herzliches Geleitwort für alle Sängerinnen und Sänger.
Letzte Bitte an meine lieben Genossen.
! Deutlichkeit !
Die großen Noten kommen von selbst: Die kleinen Noten und ihr Text sind die Hauptsache.
Nie dem Publikum etwas sagen, sondern immer dem Anderen; in Selbstgesprächen nach unten oder nach oben blickend, nie gerade aus.
Letzter Wunsch: Bleibt mir gut, Ihr Lieben!
(Bayreuth, 13 August 1876.)
4. Musik-Marathon

Hans Knappertsbusch bei einer Orchesterprobe, © fkn / Archiv.
Götterdämmerung ist nicht nur der längste Teil der Tetralogie Der Ring des Nibelungen, sondern auch das größte Musikdrama in Wagners gesamtem Œuvre. Die Partitur umfasst rund viereinviertel Stunden Musik. Prolog und erster Akt nehmen allein etwa zwei Stunden in Anspruch – und sind fast so lange wie eine komplette Aufführung von Rigoletto oder La traviata! Natürlich variieren diese Zahlen je nach Geschmack und Temperament des Dirigenten. Den Rekord hält Hans Knappertsbusch mit einer Interpretation von 4 Stunden und 42 Minuten – Pausen nicht mitgerechnet, die in der Regel jeweils fast eine Stunde dauern.
5. Das einzige Autograf

Haus Wahnfried: Das ehemalige Bayreuther Wohnhaus der Familie Wagner ist heute ein Museum und Sitz des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung, © Stadt Bayreuth.
Für viele Wagner-Jünger ist Der Ring des Nibelungen beinahe zum Evangelium geworden. Doch nur wenige wissen, dass fast alle Autografen dieser Tetralogie im Zweiten Weltkrieg verschollen sind – und bis heute als verloren gelten. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet die Götterdämmerung. Ihre Partitur mit dem handschriftlichen Vermerk des Komponisten auf der letzten Seite „Vollendet in Wahnfried, ich sage nichts weiter!“ wird heute im Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung in Bayreuth aufbewahrt.
6. Historischer Charakter

Der Theaterbär (Ursus Theatralis) in der Umgebung seines natürlichen Habitats, der Probebühne.
In Peter Konwitschnys Inszenierung tragen einige Figuren moderne Anzüge, andere hingegen fantastische Gewänder, inspiriert von den Kostümentwürfen der Uraufführung des Rings im Jahr 1876. Eine der einprägsamsten Gestalten allerdings ist in jeder Hinsicht historisch gekleidet: Der Bär. Das Bärenkostüm stammt laut Produktionsdesigner Bert Neumann aus dem Fundus von Wieland Wagner. Dieser leitete in den 1950er-Jahren die Bayreuther Festspiele und zählt bis heute zu den bedeutendsten Regisseuren des 20. Jahrhunderts. Sollte die Legende stimmen, wäre dieses „Bärenfell“ im Jahr 2025 etwa 75 Jahre alt. Sollte sie hingegen unwahr sein, so wurde uns dadurch ein wunderbarer „Bär aufgebunden“.
7. Black Maria und Lazy Susan

Die Black Maria, das erste multifunktionale Filmstudio der Welt.
In seiner Inszenierung von Götterdämmerung verwendet Peter Konwitschny ein ganz besonderes Bühnenelement: das bewegliche Gerüst eines hölzernen Hauses, das zugleich an ein schlichtes Theatergebäude, eine ländliche Hütte oder einen Thespiskarren erinnert – der Assoziationsraum bleibt bewusst offen. Der Regisseur beschreibt es so: „Diese große Kiste ist im Grunde eine Welt. Sie kann sich auch drehen wie ein Planet, und für mich ist das der Reichtum und die Einheit dieser Welt.“
Bühnenbildner Bert Neumann ließ sich dabei u. a. von einem sehr konkreten Vorbild inspirieren: Thomas Edisons Filmstudio Black Maria, das 1893 in West Orange, New Jersey, erbaut wurde. Der mit Teerpappe verkleidete Kasten war auf einer riesigen Drehplattform – einer sogenannten Lazy Susan – montiert und konnte so dem Lauf der Sonne nachgeführt werden. Ein einziehbares Dach diente zusätzlich dazu, das verfügbare, durch eine Luke einfallende Tagesicht bestmöglich auszuschöpfen. Von diesem Studio aus wurde das Patent für den Kinematografen angemeldet und damit erstmals die Aufzeichnung von bewegten Bildern ermöglicht. Zeitlich fällt dieses Ereignis bemerkenswerterweise fast mit der Uraufführung von Wagners Ring zusammen.
Headerfoto: © Thomas M. Jauk