„Ich glaube, dass beide Seiten voneinander profitieren, wenn sie denn wollen”

„Ich glaube, dass beide Seiten voneinander profitieren, wenn sie denn wollen”

Interview mit dem bildenden Künstler Mirko Winkel von The Voice That You Are

The Voice That You Are ist eine Kooperation zwischen der Oper Dortmund, der Company Christoph Winkler und dem WUK performing arts in Wien. Die installative Performance wird einmalig am 25. Mai 2019 um 20.30 Uhr im Baukunstarchiv Dortmund (ehemaliges Museum am Ostwall) präsentiert. Neben OpernsängerInnen und TänzerInnen stehen vor allem DortmunderInnen im Mittelpunkt, die bisher mit Oper und klassischer Musik nichts zu tun hatten und deren Ansichten in einer Videoinstallation festgehalten werden, für die sich der bildende Künstler Mirko Winkel verantwortlich zeigt. Mit der Company Christoph Winkler verbindet ihn eine langjährige Zusammenarbeit. Im Interview spricht er über die installative Performance The Voice That You Are und die Zusammenarbeit von Stadttheater und Freier Szene.

Worum geht es in The Voice That You Are?

Es gibt zwei Arten von Stimmen: Zum einen die privilegierten Stimmen, die wir ständig hören, wie die von PolitikerInnen oder auf der Bühne die von SängerInnen oder auch die versteckten Stimmen von RegisseurInnen oder KomponistInnen.

Darüber hinaus gibt es jedoch noch die Stimmen derjenigen ohne Macht oder auch die, die mit Theater, Oper und klassischer Musik einfach nichts zu tun haben. Und auch diese Menschen haben eine Meinung. Nicht nur zur Gesellschaft, sondern auch zum Theater, und in The Voice That You Are haben wir genau diese Stimmen befragt: Danach, was in der Gesellschaft verhandelt und in einer Oper aufgeführt werden sollte.

The Voice That You Are wird gefördert im Fonds Doppelpass Plus der Kulturstiftung des Bundes, wo explizit Kooperationen von freien Gruppen und festen Theaterhäusern gefördert werden. Inwieweit können beide Seiten voneinander profitieren?

Die Besonderheit am Stadttheater ist, dass sich dort Menschen mit einer technisch fundierten Ausbildung langfristig verpflichten und in einem sehr großen und aufwendig arbeitsteiligen System Dinge verwirklichen können, die in der Freien Szene so gar nicht möglich sind. Dort wird von Projekt zu Projekt gedacht und ein Team löst sich in der Regel mit Projektende auf. In der Freien Szene haben wir hingegen leichter die Möglichkeit, alles in Frage zu stellen. Wenn man die Hierarchien hier umdreht, ist das keine Krise, sondern künstlerisches Material. Das wäre in einem etablierten Musiktheater wahrscheinlich gar nicht so leicht möglich. Wenn beide Seiten aber kooperieren, kann man die Qualitäten des Stadttheaterapparates ideal nutzen und auch andersherum kann die Freie Szene dem System Stadttheater Ideen z. B. für andere Strukturen und Formen von Zusammenarbeiten geben. In der Freien Szene gibt es nicht immer so eine genaue Einteilung in RegisseurIn, SängerIn oder TänzerIn. Die Rollen gehen oftmals fließend ineinander über.Ich glaube, dass beide Seiten voneinander profitieren, wenn sie denn wollen.

Nicht nur strukturell sondern auch künstlerisch prallen bei The Voice That You Are zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander. Klassisch ausgebildete OpernsängerInnen treffen auf TänzerInnen aus dem Performancebereich. Wo liegt der künstlerische Mehrwert?

Das Besondere an dem Projekt ist, dass es stark um Übersetzungsvorgänge geht. Zu allererst fanden Gespräche zwischen den EnsemblesängerInnen mit Menschen statt, die selten bis nie in die Oper gehen. Die Gedanken derjenigen, die nicht in die Oper gehen, wurden von den OpernsängerInnen durch eine musikalische Antwort übersetzt. Hier benutzt der Komponist bereits etabliertes Material wie Arien, die von den SängerInnen eingesungen wurden, woraus dann eine zeitgenössische Komposition entsteht, die nur aus Stimmen besteht. Die TänzerInnen vollziehen wiederum eine weitere Übersetzung. Später wird das Ganze zu einer Gesamtinstallation zusammengesetzt. Ein Prozess inspiriert den nächsten und alle Antworten beziehen sich aufeinander. Es geht also darum, die verschiedenen Ebenen nebeneinander zu stellen, auch in ihren möglichen Widersprüchen. Man kann die Grenzen des jeweiligen Mediums oder auch die Missverständnisse, die es über die Oper gibt, erkennen. Die Idee besteht auch darin, dass das Publikum nachvollziehen kann, wie wir gearbeitet haben.

Kann The Voice That You Are auch als ein Versuch interpretiert werden, wie die Oper der Zukunft aussehen könnte? Handelt es sich um eine Form von Oper?

Wir haben die Leute u. a. danach gefragt, was eine Oper ist. Die daraus resultierende Inszenierung nun als eine Oper zu definieren, wäre nicht sinnvoll. Uns interessieren verschiedene Erwartungen an und Entwürfe von Oper und wir wählen eine neue künstlerische Form, um diese Auseinandersetzung zu zeigen.

Viele Leute haben bereits eine ästhetische Vorstellung davon, was Oper ist und was ein Bruch mit ihr wäre. Vielleicht ließe sich Oper auch darüber definieren, wie relevant diese Kunstform für die Gesellschaft ist oder für wen und für was. Daher würde ich sagen, The Voice That You Are ist nicht die Oper der Zukunft, aber es befragt diese in ihrer gegenwärtigen Existenz. Auch neugierige und kritische Fragen wurden zugelassen. Für mich handelt es sich um einen Beitrag für die Zukunft der Oper.

Weitere Infos und Termine The Voice That You Are unter :

https://www.theaterdo.de/detail/event/20050/

Titelbild © Mirko Winkel

Portrait © Mirko Winkel


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